Homeoffice: Wer zahlt, wenn etwas passiert?
Seit Juli vergangenen Jahres gilt das Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Es erweitert den Unfallversicherungsschutz für Beschäftigte, die mobil arbeiten. „Seitdem wird in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mehr unterschieden, wo der Unfall geschah“, sagt Eberhard Ziegler, Referatsleiter bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, DGUV. Somit besteht bei mobiler Arbeit im selben Umfang gesetzlicher Versicherungsschutz wie im Unternehmen. Davor waren im Homeoffice zwar auch die sogenannten Betriebswege, etwa zum Drucker versichert. Die Wege zur Toilette oder zur Kaffeemaschine jedoch nicht.
Beschäftigte sind mit Aufnahme ihrer Tätigkeit kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Die Mitarbeitenden müssen nichts tun und der Arbeitgeber zahlt allein die Versicherungsbeiträge. Sie werden also nicht geteilt wie etwa bei der Rentenversicherung. „Versichert sind die Beschäftigten infolge ihrer Tätigkeit, Privatunfälle scheiden daher aus“, sagt Ziegler. Bei der Büroarbeit bergen Wege das größte Risiko für Unfälle. Beschäftige stolpern und brechen sich ein Bein oder die Hand. Dann übernimmt die DGVU alle Leistungen. Dazu zählen Arztkosten und Krankenhausaufenthalt. Falls der Unfall schlimme Folgen hat auch eine Umschulung, der behindertengerechte Umbau der Wohnung oder des Hauses sowie eine Rente.
Privater oder beruflicher Unfall?
Angenommen der Unfall führt zu einer vollständigen Erwerbsminderung des Versicherten, dann bezahlt die DGVU eine jährliche Rente von knapp 25.000 Euro bis ans Lebensende. „Dieser Betrag ist berechnet aufgrund des durchschnittlichen Verdiensts der in der Rentenversicherung Versicherten“, sagt Ziegler. Wer gut verdient, kann daher auch mehr bekommen. Private Versicherungen bezahlen je nach vereinbarter Summe eine einmalige Kapitalleistung und damit ist für sie der Fall meistens abgeschlossen. Es ergibt also durchaus Sinn zu unterscheiden, ob ein Unfall beruflich oder privat ausgelöst wurde.
Im Büro muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Wege sicher sind. „Bei seinen Beschäftigten zu Hause ist er dafür nicht verantwortlich“, sagt Ziegler. Deshalb waren die Wege zur Nahrungsaufnahme und zur Toilette im Betrieb versichert, im Homeoffice dagegen nicht. Mit dem neuen Gesetz wurde das nun geregelt. Egal, wo: Die Wege zur Toilette und zurück an den Arbeitsplatz sind versichert. Essen und Trinken ist privat.
Erhalt der Arbeitskraft entscheidet
„Ob bei Wegen zur Nahrungsaufnahme Versicherungsschutz besteht, hängt davon ab, ob sie zur Erhaltung der Arbeitskraft erforderlich sind“, sagt Ziegler. Wer vom Büro in die Kantine oder Küche zum Essen geht, ist geschützt. Wenn jemand allerdings eine Stunde nach der Mittagspause einen Schokoriegel oder einen Kaffee braucht, dann kommt es schon auf den Einzelfall an, ob Versicherungsschutz gewährt wird. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn jemand Koffein oder Schokolade zwingend nötig hat, um weiterzuarbeiten. Der Beweis dafür wird nicht leicht.
Die Grenzen zwischen beruflicher und privater Tätigkeit sind im Homeoffice fließend. Wenn der Paketdienst klingelt und der Beschäftigte auf dem Weg zur Türe stürzt und sich verletzt, dann kommt es darauf an, ob private oder berufliche Post kam. „Bei der beruflichen übernimmt die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse die Unfallkosten, bei der privaten nicht“, sagt Ziegler. Arbeitsunfälle kommen viel häufiger vor als man denkt: 2020 wurden der DGUV rund 206.000 Unfälle gemeldet, die sich auf betrieblichen Wegen ereigneten.
Haftung bei beschädigtem Arbeitsgerät
Neben einem Unfall lauern im Homeoffice weitere Gefahren. So können vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Arbeitsgeräte wie Laptop oder Smartphone beschädigt oder zerstört werden. „Bei leichter Fahrlässigkeit trägt der Arbeitgeber den Schaden, bei mittlerer Fahrlässigkeit kann der Mitarbeitende anteilig haften und bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz muss der Mitarbeitende den Schaden ersetzen“, sagt die Rechtsanwältin Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Je größer die Fahrlässigkeit, umso größer ist die Arbeitnehmerbeteiligung am Schaden. Das gilt im Büro wie im Homeoffice gleichermaßen.
Weidenbach findet, dass zurzeit ein ziemlicher Wirbel um den Versicherungsschutz im Homeoffice gemacht wird, die Fragen aber schnell geklärt werden können. „Viele haben eine Haftpflicht- und Hausratversicherung. Ich würde die Versicherung anschreiben, die neue berufliche Homeoffice-Situation beschreiben und fragen, ob auch in diesem Fall Versicherungsschutz für die Geräte besteht.“ Die Antworten sollten nur schriftlich akzeptiert werden.
Welche Versicherung für was?
Wir haben bei der R+V nachgefragt, welche Gefahren im Homeoffice sich über eine Versicherung abdecken lassen.
Die Hausratversicherung deckt Schäden etwa durch Feuer, Sturm und Diebstahl ab. Es gilt der Grundsatz, dass nur private genutzte Räume versichert sind. Eine Ausnahme gibt es für Arbeitszimmer, die als Homeoffice genutzt werden. Der Beitrag hängt von der Wohnfläche und dem Wohnort ab. Für eine 80 Quadratmeterwohnung in einer Großstadt wird für etwa 65 Euro jährlich Versicherungsschutz gewährt.
Die private Haftpflichtversicherung versichert Missgeschicke aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson. Im Umkehrschluss sind Schäden aus einer beruflichen Tätigkeit ausgeschlossen. Es werden aber auch umfangreiche Tarife angeboten, die Schäden an Arbeitsmitteln wie Laptops mit einschließen, wenn dieser im privaten Umfeld beschädigt wurde. Ein solcher Schutz kostet um die 50 Euro jährlich.
Bei der privaten Unfallversicherung gibt es keine Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Beruflichem und Privatem und keine zeitlichen Lücken im Versicherungsschutz, wie etwa Feierabend: Sie schützt private und berufliche Unfälle 24 Stunden am Tag und an jedem Ort der Welt. Die private Unfallversicherung zahlt eine Rente ab einer Minderung der Erwerbstätigkeit von einem Prozent, die DGVU erst ab 20 Prozent. Bereits ab 120 Euro im Jahr gibt es eine Unfallversicherung mit Invaliditätsleistung für kaufmännische Angestellte. Höhere und mehr Leistungen kosten entsprechend mehr. Oft bieten Arbeitgeber ihren Beschäftigten Versicherungsschutz über eine betriebliche Gruppenunfallversicherung an. Die schließt der Arbeitgeber ab und bezahlt die Beiträge dafür. Nachfragen lohnt sich.
(axk)